Gastbeitrag: Geocachen in Moskau und auf der Krim

Die Geocacher Hallole und Ezh_gps waren im vergangenen Jahr auf der Krim zum Geocachen. Hallole schrieb mich an und fragte, ob dieses Thema für diesen Blog interessant wäre. Er habe Lust, von seiner Reise zu berichten. Ich musste nicht lange überlegen. Gern veröffentliche ich Gastbeiträge über interessante Geocacherreisen (es ist ja nicht das erste Mal) und dieser Beitrag ist wirklich sehr spannend. Aber lest selbst:

Geocachen in Moskau und auf der Krim

Endlich stand das Auto auf der Fähre. Nun würde der besonders spannende Teil einer besonders spannenden Reise beginnen. In weniger als einer halben Stunde würden wir die Krim betreten. Für das westliche Ausland einen Teil der Ukraine, für Russland seit 2014 wieder ein integraler Bestandteil seines Territoriums. Für mich eine Region, in der sich viele Kulturen treffen, die ich lange sehen wollte. Und für meinen Begleiter Petr würde es ein Wiedersehen mit dem Land werden, in dem er einst Urlaube verbracht hatte, als noch keine Grenzen die damalige Sowjetunion zerteilten. Diplomatische Betreuung würde für mich wegfallen, Kreditkarten würden nicht mehr zu nutzen sein, und dennoch würde es sich als unproblematische und unglaublich interessante Reise erweisen.

Vorbereitung auf die Krim im Fährhafen von Port Kawkas

Wie kommt man als Cacher auf die Idee, ausgerechnet auf die Krim zu reisen, wo es im Sommer letzten Jahres für uns exakt 17 Caches zu finden gab (ok, es sind sehr viel mehr Caches, aber die sind bei geocaching.su und nicht bei geocaching.com gelistet)? Begonnen hatte das wohl bei einer kleinen Irlandreise im Jahr davor, wie sie ja viele Geocacher machen. Wie wäre es mal mit etwas Ungewöhnlichem? Z. B. Russland – stammt doch Cacherkollege Pjotr aus diesem Land, was für mich die fehlenden Sprachkenntnisse kompensieren könnte. St. Petersburg wäre schön, oder wie wäre es mit… der Krim? Ich liebe Ziele, die nicht ganz so leicht zu erreichen sind, das wäre es doch. Ja, und wenn schon Krim, dann ginge es über Moskau, also könnte man auch dort mindestens einen Tag bleiben. Und außerdem wollte ich doch immer gerne auf die Tamanhalbinsel, wo mein Großvater vor nunmehr 74 Jahren die Gegend im Tagebuch beschrieben hatte. Und langsam nahm die Planung Gestalt an: Erst nach Moskau, dann mit dem Flugzeug nach Krasnodar. Von dort mit dem Mietwagen entlang des Vorkaukasus auf die Tamanhalbinsel, mit der Fähre auf die Krim, und dann entlang der Südküste und durch das Krimgebirge bis nach Sewastopol, zuletzt mit dem Flugzeug von Simferopol nach Moskau zurück. 10 Tage standen zur Verfügung, einige Vorbereitung wartete auf uns und besonders auf mich. Denn erstmal wartete die Prozedur für ein Visum. Da die Krim vom Westen boykottiert wird, war auch die Organisation von Quartieren nicht ganz einfach. Aber wenn man booking.com auf Russisch umstellt, geht es problemlos. Auch mit westlichen Kreditkarten. Es fand sich also für alles eine Lösung, und irgendwann ging es tatsächlich los. Im Jahr davor hatte ich eine Tagestour von Ungarn aus durch die Ukraine nach Rumänien unternommen, und mir meinen Länderpunkt dafür verdient. Das ist auch gut so, denn nach einem Besuch der Krim dürfte für mich ein weiterer Aufenthalt in der Ukraine u. U. schwierig werden. In jedem Falle freute ich mich nun sehr auf Kontraste in Russland – von der Hauptstadt bis zum Schwarzen Meer.

Die Quartiere sind gebucht, es kann losgehen!

Nach dem Flug von Berlin aus schon am ersten Abend der erste Spaziergang durch Moskau. So vieles vom Lesen und aus dem Fernsehen bekannt, aber noch viel imposanter, wenn man es direkt sieht. Schon die Metro mit ihren unglaublich langen Rolltreppen ließ mich staunen, dann auch der berühmte Rote Platz. Ebenfalls noch am ersten Abend wurde der Alexandergarten mit dem Gedenkort für die Soldaten des Zweiten Weltkriegs und den Gedenksteinen für die „Heldenstädte“ besucht. Dies würde die ganze Reise durch so bleiben – überall sollte ich daran erinnert werden, wie Deutsche dieses Land vor nicht allzu langer Zeit verheerten und wie viele Opfer dieser Krieg am Ende forderte.

Gedenken für die Opfer des Krieges

Am zweiten Tag folgten Spaziergänge kreuz und quer durch‘s Zentrum. Einmal um und in den Kreml, eine Besichtigung der zahlreichen Kirchen im Kreml, und natürlich wurden auch einige Caches besucht. Insgesamt konnte ich in Moskau drei Mysteries, einen Wherigo, einen Multi sowie sechs Tradis finden – für Petr waren es etwas weniger, hatte einige davon schon früher gefunden. Dabei ist der dem Kreml gewidmete Wherigo besonders empfehlenswert (GC2Q7KY)!

Moskauer Ansicht: Goldene Kuppeln und stalin’scher Zuckerbäckerstil

Am nächsten Tag ging es dann mit dem Flieger nach Krasnodar, in die südrussische Landschaft am Kuban-Fluss. Von dort aus konnten wir uns mit einem zuverlässigen Auto weiterbewegen, und zwar zuerst einmal zu einem Multi (GC75ZB6) in Krasnodar, der bis an den Kubanfluss führte. Alle Caches, die wir hier in Südrussland besuchten, werden doch recht selten geloggt, so dass die Suche immer ein Abenteuer war. In Krasnodar folgten ein weiterer Multi (GC749XG) über den zentralen Friedhof, der wie so oft vieles vom Leben in der Stadt zeigte, sowie ein Earthcache (GC73FZ8) und auf der weiteren Fahrt zwei Tradis. Ein Tradi war dem Gedenkort für zwei im letzten Krieg gefallene Brüder gewidmet, wobei wir das Grab der Brüder schon vorher auf dem Friedhof gesehen hatten. Bewegende Schicksale!

Grab auf dem Friedhof von Krasnodar

Eine wichtige Station wurde für uns die kleine, einst von Kosaken gegründete Stadt Abinsk. Hier an den Ausläufern des Kaukasus warteten die einzigen in der Region erreichbaren Tradis auf uns, einer auf geocaching.com bisher ungeloggt (GC5P2WR). Den FTF wollten wir versuchen! Vorher hatte ich mir manche Gedanken gemacht, ob alles gut gehen würde, 5 km bis zu der entlegen in einem ehemaligen Quecksilberbergwerk gelegenen Dose zu wandern. Nachdem wir einen kleinen Fluss überquert hatten, leider ohne Brücke, stellte sich das aber als weniger schwierig als erwartet heraus, offensichtlich wird dort öfter gewandert. Die Abraumhalden waren bald erreicht, und auch der Stollen mit der Dose wurde schnell entdeckt. Anschließend genossen wir die Einsamkeit und die weiten Blicke auf die sich weit erstreckenden Hügel.

FTF-Log im Vorkaukasus

Zurück am Auto stellte sich die Frage, ob wir den nächsten Tradi (GC39KAB) auch noch angehen wollten. Dieser war zwar nur 15 km entfernt, aber es waren 40 km über Nebenstrecken zu fahren. Egal, am späten Nachmittag standen wir an einem möglichen Parkplatz. Nun war der Tradi auf dem 541 m hohen Berg nur noch 3 km Luftlinie entfernt, lag aber gut 330 m höher. Über schlechte Forstwege ging es immer näher heran und zuletzt steil bergauf. In der beginnenden Abenddämmerung standen wir tatsächlich am Gipfel, und waren überwältigt. Der Berg warf einen gewaltigen Schatten auf die Landschaft vor uns, und die im Gegenlicht beschienenen Gipfel des Kaukasus in Richtung Schwarzes Meer bildeten endlose bewaldete Reihen. Keine Siedlung war dort mehr vorhanden und irgendwo in der Ferne musste das Schwarze Meer sein. Nachdem der Tradi auf dem Gipfel dann sogar gefunden und geloggt war, bestaunten wir die unzähligen Blumen, betrachteten das Kreuz, das an die Kampfhandlungen auf dem Berg 1942 erinnerte, und begannen irgendwann den Abstieg, um im Stockdunklen wieder das Auto zu erreichen. Was für ein unglaublicher Tag, mit Eindrücken für die nächsten Jahrzehnte!

Unser Berg wirft Schatten – auf dem Schize (541 m)

Abenddämmerung auf dem Schize (541 m) – Berge bis zum Horizont

Am nächsten Tag erreichten wir das Asowsche Meer bei Temrjuk, wo wir den einzigen Cache der Region und des Tages besuchten. In dieser Gegend waren wir ein wenig auf den Spuren meines Großvaters und besuchten einen Schlammvulkan bei Achtanisowskaja, den er mehrfach beschrieben hat und wo er seinerzeit öfter spazieren war (dem Vulkan haben wir inzwischen einen Earthcache gewidmet (GC77M3B), der allerdings noch auf den Erstfund wartet). Das machte mir noch einmal sehr deutlich, was für ein Glück wir Nachgeborenen haben, konnte ich doch friedlich mit einem aus Russland stammenden Freund diese Gegend besuchen, wo sich unsere Großväter einst im Krieg gegenüberstanden und die deutsche Armee einen „Vernichtungsfeldzug“ führte. Wir können nur froh sein, dass die Ziele der Deutschen nicht aufgingen – aber wie viele Opfer hat das gekostet?

Vor 74 Jahren ging mein Großvater auf dem Schlammvulkan von Achtanisowskaja spazieren

Und nun der Höhepunkt, die Überfahrt auf die Krim. Begleitet von Delphinen, für mich ein gutes Zeichen. Ab jetzt zählte, „nur Bares ist Wahres“ – unsere Kreditkarten galten nichts mehr, wir kamen in eine vom Westen mit Sanktionen belegte Region: In Kertsch betraten wir endlich die Krim. Nach der Besichtigung eines skythischen Grabes folgte eine lange Fahrt bis in die Nähe von Sudak, wo drei Tradis warteten. Auch hier ging es für zwei von ihnen wieder zu Fuß weit nach oben – Leitplankenpetlinge finden sich hier nicht. Die Caches hier zeigen im guten alten Stil jeweils interessante Ziele und sind zumeist über längere Fußwege erreichbar. Der erste führte uns auf der Landseite hinauf zum Kap Meganom (GC34Q6Z), der andere belohnte in Novy Svet (GC3490V) mit einem gigantischen Ausblick über die Felsenküste am Schwarzen Meer. Für den Tradi in der Festung bei Sudak blieb keine Zeit, aber die endlose Serpentinenstrecke bis Aluschta konnte mit einem weiteren Tradi (GC5GHQ2) auf einem kleinen Berg aufgelockert werden. Den nächsten Tradi in Aluschta ließen wir aufgrund der Vorlogs aus, dafür standen am nächsten Tag zwei Earthcaches auf dem Plan. Hier zeigt sich übrigens, dass Caches von vor 2014 ihre Länderangabe „Ukraine“ behalten haben, neue Caches aber unter „Russland“ veröffentlicht werden.

Ausblick auf wildes Land am Cache an Kap Meganom

Ausblick aufs Schwarze Meer am Cache am alten Funkturm von Novy Svet

Mit dem Earthcache an der Marmorhöhle im Krimgebirge (GC70RTR) stand nun ein echtes Highlight auf dem Plan. Wobei es in der Nähe sogar noch einen Tradi zu holen gab. Allerdings muss man zur äußerst sehenswerten Höhle eine lange Offroad-Piste überstehen. Und wenn man erst eine Höhle im Karstgebirge besucht, kann man danach natürlich mit einem Canyon weitermachen. Der berühmte „Grand Canyon“ der Krim besitzt ebenfalls einen Earthcache (GC20X0J). Zuerst waren aber ungezählte Serpentinen zu überwinden, der Anstieg von der Küste auf Meereshöhe bis auf über 1100 m auf dem Plateau des Krimgebirges musste erst einmal bewältigt werden, und das auf wenigen Kilometern Luftlinie. Auf dem Weg besuchten wir noch einen Tradi, der der zweite FTF der Reise wurde – 2 Jahre nach dem Publish. Und der T-Wert von 1,5 spiegelte die Strecke und den Anstieg zum Berg mit dem Cache auch nicht direkt wieder… Für Entspannung sorgte am Abend das Bummeln auf der sehr belebten Promenade in Jalta und frisch gefangener Fisch zum Abendessen, direkt am Meer.

In der Marmorhöhle

Am nächsten Tag standen insbesondere kulturelle Highlights der Krim auf dem Programm: In Jalta wurde das berühmte „Schwalbennest“, eine Industriellenvilla betrachtet und der nahe Tradi (GC50FND) geloggt. Dann folgte eine Besichtigung des Livadija-Palasts der Zaren, mit grandiosem Park. Als Potsdamer kennen wir Parks und Schlösser gut, hier kam nun die Mittelmeerflora und der Blick auf’s Schwarze Meer als besonderes Element dazu. Weitere Besichtigungen des Tages galten dem Woronzow-Palais in Alupka sowie der orthodoxen Kirche von Foros, die hoch über dem Meer auf einem Bergvorsprung thront. Für den Besuch von Foros mussten wir einen weiteren Tradi hoch über uns auf dem Berg leider auslassen, so dass wir am Ende von den 17 auf der Krim gelisteten Caches drei nicht gesucht hatten. Nun wurde das Krimgebirge überquert und Kurs auf Sewastopol genommen. Auf dem Weg gab es einen kurzen Tradistopp und einen Besuch des deutschen Kriegsgräberfriedhofs in Gontscharnoje. Bislang ruhen dort ca. 24.000 deutsche Soldaten. Die heftigen Kämpfe um Sewastopol 1942 und bei der Rückeroberung der Krim 1944 forderten insgesamt wohl über 100.000 tote deutsche, rumänische und sowjetische Soldaten. Noch am selben Tag besuchten wir in Sewastopol eine Gedenkstätte in einer ehemaligen Küstenbatterie, die an die heftigen Kämpfe 1942 erinnert, auch ein Tradi befindet sich dort (GCVNDP). Weiterhin ist die antike Stadt Chersones sehr sehenswert (und bietet den zweiten Tradi Sewastopols (GC50FMG)). Auf einer großen Fläche direkt am Meer erstrecken sich die Ruinen der Stadt, die über 1800 Jahre existiert hat. Erst eine griechische Kolonie, dann römisch, später byzantinisch und zuletzt ein genuesischer Handelsposten (und damit ein Spiegelbild der vielen Kulturen, die die Krim prägen). Erst um 1400 wurde die Stadt nach Eroberung durch die Mongolen aufgegeben. Dagegen ist das unter Katharina der Großen gegründete Sewastopol mit knapp über 200 Jahren noch recht jung.

Der Livadija-Palast bei Jalta

Die Zeit war wie im Flug vergangen, und schon stand der letzte Tag an. Dieser wurde genutzt, um das altehrwürdige Kloster Inkerman bei Sewastopol zu besichtigen und nach Bachtschissaray weiter zu fahren. Dort befindet sich der ehemalige Khanspalast der Krimtataren, wo man sich gleich in den Orient versetzt fühlt. Insbesondere die Innenräume mit ihren Brunnen, Becken und Liegen lohnen einen Besuch. Weiterhin kann man in der Nähe das Uspenskij-Höhlenkloster besichtigen, von dem aus man zur Ruinenstadt Chufut-Kale auf einem Bergrücken aufsteigen kann. In der Ruinenstadt locken nicht nur ein grandioser Ausblick aus den in den Fels geschlagenen Kellern, sondern auch die Ruinen der Gebäude der ehemaligen christlichen, jüdischen und muslimischen Bewohner. Sowohl im Khanspalast als auch in der Ruinenstadt gibt es jeweils einen Tradi (GC25X3W, GC4Y1T2), wobei angesichts von so viel Sehenswertem die Suche hiernach jeweils zur Nebensache wurde.

Ausblick von der Ruinenstadt Chufut-Kale

Nach einer letzten Nacht auf der Krim in Simferopol hieß es Abschied nehmen. Voller Eindrücke und bewegt vom wechselhaften Schicksal der Krim ging es via Moskau wieder nach Hause. Mit elf Cachefunden in Moskau, acht in Südrussland und 14 auf der Krim waren die Caches eindeutig nicht der Schwerpunkt gewesen, aber diejenigen, die wir besucht hatten, haben uns durch die Bank ganz besondere Orte gezeigt. Und immerhin hat es für mich für die Statistik zu fünf verschiedenen Cachetypen in Russland gereicht (wer meine Challenges kennt, weiß auch warum (GC70V2Z)). Dass eine Reihe von Caches nun unter „Ukraine“ verbucht sind, ist ein Schönheitsfehler. Aber da ich den Länderpunkt schon vorher hatte, stört das nicht weiter.

Wer Interesse an einer solchen besonders „exotischen“ Reise hat, kann sich gerne an uns wenden. So weit möglich, stehen wir mit Rat und Tat zur Seite. Die Krim lohnt unbedingt einen Besuch! Russischkenntnisse oder Begleitung mit entsprechenden Sprachkenntnissen ist allerdings zu empfehlen. Noch fehlt es deutlich an internationalem Tourismus, so dass die Fremdsprachenkenntnisse nicht sehr ausgeprägt sind. Vieles aber macht die Freundlichkeit wett, mit denen man uns begegnete!

 

Oliver Ungerath (Hallole) zusammen mit Pjotr Saparin (Ezh_gps). Bildrechte bei den Verfassern

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